Diese Überlegungen wurden durch einen Webtalk (Aufzeichnung) am 15. Dezember 2011 auf der Plattform pb21 angeregt.
Zustandsbeschreibung
Wirft man einen Blick auf die IT-Infrastruktur der (weiterführenden) Schulen, so stellt sich die Sache für viele Schulen ungefähr so dar:
- zahlreiche Räume sind verkabelt,
- es gibt einen oder mehrere Server, auf denen ein für schulische Bedürfnisse angepasstes Serverbetriebssystem läuft, beispielsweise die paedML des Landes Baden-Württemberg oder eine vergleichbare Lösung,
- der Zugang zum Schulserver und seinen Diensten ist relativ restriktiv geregelt – ohne persönliche Anmeldung läuft fast nie etwas,
- in einem oder mehreren Computerräumen stehen stationäre PCs,
- in einzelnen Klassenzimmern gibt es vielleicht Medienecken,
- wahrscheinlich gibt es einige Laptopwagen,
- für Präsentationen usw. stehen mobile Einheiten mit Laptop und Beamer zur Verfügung.
Was es eher nicht gibt:
- WLAN-Zugänge für alle,
- Integration privater Geräte (Notebooks, Tablets, Smartphones usw.) ins schulische Netz.
Im wesentlichen wird die Arbeit mit Computern mit stationären PCs und (einigen) Laptops erledigt. Mit Ausnahme einiger Schulversuche kommen neue Geräte(klassen) wie Tablets oder Smartphones im schulischen Alltag noch kaum vor.
Außerhalb der Schule sieht es anders aus. Nun ist es keineswegs so, dass alle ein Tablet oder ein Smartphone haben. Allerdings sind dies die beiden Gerätekategorien, die am Markt die stärksten Zuwachsraten haben und auch tatsächlich schon recht weit verbreitet sind.
Es stellt sich deshalb die Frage, ob
- Tablets für den Einsatz in der Schule geeignet sind,
- sie sich in die bestehende IT-Infrastruktur der Schulen integrieren lassen oder ob
- sie die bestehende Infrastruktur eventuell sogar überflüssig machen.
Im folgenden will ich versuchen, diese Fragen zu beantworten – so gut das zum jetzigen Zeitpunkt geht.
Was Tablets können
Wenn hier von Tablets die Rede ist, wird nicht nach bestimmten Geräten (iPad u.a.) bzw. Betriebssystemen (iOS, Android) unterschieden. Letztlich sind die Unterschiede nicht so groß, die Gemeinsamkeiten überwiegen. Für die Schulen stellt sich allerdings die Frage, ob ein „geschlossenes“ System wie Apples iOS oder ein „offenes“ System wie Android eher geeignet ist. Geschlossene Systeme haben aus schulischer Sicht den Vorteil, dass sie durch SchülerInnen nicht so leicht manipulierbar sind, offene Systeme lassen sich vermutlich leichter zur Zusammenarbeit mit der bestehenden IT-Infrastruktur überreden.
Wofür sich Tablets eignen, lässt sich hier anhand einiger schöner Beispiele nachlesen. Zwar sind die Beispiele nicht schulspezifisch, doch geben sie einen guten Eindruck von der Vielfalt der Nutzungsmöglichkeiten. Und es bestätigt sich, dass es für (fast) alles eine preiswerte oder kostenlose App gibt …
Damit ist schon ein wichtiger Vorteil von Tablets angesprochen: Statt umfangreicher, manchmal auch monolithischer Programme wie beispielsweise die großen Office-Pakete gibt es relativ kleine, auf einen spezifischen Zweck zugeschnittene Apps – ein Job, eine App, sozusagen. Solche Apps sind meist recht einfach zu bedienen und erfordern keinen großen Lernaufwand.
Für viele der typischen Aufgaben, die im Schulalltag heute mit Hilfe von Computern erledigt werden, eignen sich auch Tablets; manchmal sogar besser, weil die Bedienung einfacher ist und das single-tasking-Konzept beispielsweise des iPad Verwirrung durch zu viele offene Programmfenster verhindert.
- Surfen (Recherche usw.),
- Texte und Präsentationen erstellen (falls nicht zu lang/nicht zu komplex),
- Mindmaps entwerfen,
- Kommunikation in allen Varianten,
- Notizen erfassen und organisieren,
- Kollaboration (gemeinsam an Texten arbeiten usw.),
- Arbeiten mit einer Lernplattform (Moodle u.a.),
- einfache Audio- und Videobearbeitung,
- einfache Bildbearbeitung.
Nicht unterschätzen sollte man die Tatsache, dass jedes gut ausgestattete Tablet (wie beispielsweise das iPad) ein portables Ton-, Video- und Fotostudio ist. Dies eröffnet im Schulalltag zahlreiche neue und relativ unkomplizierte Möglichkeiten.
Für besondere Aufgaben gibt es häufig sehr preiswerte, maßgeschneiderte Apps.
Im Gegensatz zur manchmal vorherrschenden Meinung eignen sich Tablets keineswegs nur zum mehr oder weniger passiven Konsum von Medien, sondern eignen sich durchaus für die Produktion von Inhalten und Medien.
Allerdings soll nicht verschwiegen werden, dass sich Schulen auch schon wieder von ihren Tablets getrennt haben, weil sie sich als ungeeignet für manche Aufgaben erwiesen. Spiegel Online berichtet über eine Schule in Dänemark, wo die Schüler ihre iPads „entnervt“ zurückgaben und einen Schüler so zitiert : „Mit dem iPad kann man kaum schreiben. Jedes Mal, wenn wir einen längeren Text verfassen sollten, wurde es schwierig.“ Dies ist zweifellos richtig. Eine Bluetooth-Tastatur kann dieses Problem zwar lösen, macht einen großen Vorteil des Tablets – sein Gewicht und seine Mobilität – zumindest zum Teil zunichte.
Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass man mit dem iPad durchaus „ernsthaft“ arbeiten kann. Eine externe Tastatur ist dafür für mich allerdings unverzichtbar. Erschwerend kommt dazu, dass das Dateisystem des iPad nur bedingt zugänglich ist. Um es auf den Punkt zu bringen: Ohne konsequente Anbindung an die „Cloud“ kann man kaum ernsthaft mit dem iPad arbeiten. So lange Schulen keine eigenen Clouds (wie beispielsweise ownCloud) betreiben, wird dieses Problem bestehen bleiben.
Tablets eignen sie sich auch als Lesegeräte für E-Books. Zwar gibt es momentan das bekannte Henne-Ei-Problem – weil es zu wenig Tablets oder E-Book-Reader an Schulen gibt, produzieren die Schulbuchverlage keine E-Book-Varianten ihrer Schulbücher, und weil es kaum E-Book Angebote von Schulbuchverlagen gibt, setzen die Schulen keine E-Book-Lesegeräte oder Tablets ein – doch kann sich diese Situation durchaus ändern, am ehesten wohl über die allgemeine Zunahme von E-Books in der Gesellschaft.
Die deutschen Schulbuchverlage haben im Sommer 2012 den Einstieg in den digitalen Schulbuchmarkt gestartet und eine Plattform dafür vorgestellt. Auch Apple engagiert sich im Bereich E-Books für Bildungseinrichtungen.
Brauchen Schulen eine neue IT-Infrastruktur oder BYOD (Bring Your Own Device)
Die bestehende Infrastruktur der meisten Schulen ist relativ starr und unflexibel. Es überwiegt die feste Verkabelung zu ungunsten von WLAN-Zugängen. Ernsthaftes Arbeiten mit dem Computer mit größeren Gruppen ist meist nur in speziellen Computerräumen möglich, um deren Benutzung alle konkurrieren. Vorhandene (private) Geräte der SchülerInnen und LehrerInnen können in aller Regel nicht oder nur eingeschränkt eingesetzt werden, da sie keinen Zugang zum schulischen Netz haben. Daten können nur in genau definierten Verzeichnissen abgelegt werden, die Wolke bleibt den Schulen aus Gründen des Datenschutzes verschlossen (es sei denn, sie bauen sich ihre eigene schulische Cloud).
Es ist nicht so, dass die bestehende Infrastruktur der Schulen durch den Einsatz von Tablets überflüssig wird. Computerräume wird es wohl noch eine Weile geben (müssen). Allerdings denke ich, dass Schulen ihre IT-Infrastruktur anpassen müssen, wenn sie die Nutzung mobiler Geräte wie Tablets, E-Book Lesegeräte und Smartphones nicht von der Nutzung in der Schule ausschließen will. In erster Linie läuft das wohl auf offenere schulische Netze, den verstärkten Einsatz von WLAN und die Nutzung eigener Cloud-Lösungen hinaus. Und es bedeutet wohl auch, dass die Schulen ihren Anspruch, alle Geräte in ihrem Netz umfassend kontrollieren zu wollen, zumindest teilweise aufgeben müssen.
Ich gehe davon aus, dass der Einsatz von Tablets in der Schule nur Sinn macht, wenn alle SchülerInnen ab einer bestimmten Klassenstufe eigene Tablets haben, die sie sowohl in der Schule als auch privat nutzen. Das kann einen kleinen Beitrag zu einer positiven Mischung der Lebensbereiche Schule und Privat leisten.
Der Einsatz von Tablets (und Smartphones) in der Schule kann
- die Mobilität der Lernenden steigern,
- das starre System der Computerräume überflüssig machen,
- es erlauben, eine passende Lernumgebung nach den Bedürfnissen der Lehrenden und Lernenden „ad hoc“ in jedem Raum herzustellen,
- die Zusammenarbeit fördern, da Tablets leicht „herumgereicht“ werden können.
Finanzierung
Geht man davon aus, dass vieles, was bisher mit Computern gemacht wird, auch mit Tablets gemacht werden kann, dann können die Schulen auf lange Sicht Geld einsparen, da sie weniger Computer und weniger teuere Software brauchen.
Natürlich stellt sich die Frage, wer die vielen schönen Tablets finanzieren soll. Wir reden bei einer durchschnittlich großen weiterführenden Schule über Hunderte von Tablets.
Es sind unterschiedliche „Finanzierungsmodelle“ denkbar: Die Schulträger schaffen die Tablets an und stellen sie den SchülerInnen während ihrer Schulzeit als Lernmittel zur Verfügung (ähnlich wie bei den wissenschaftlichen Taschenrechner) (und die Eltern leisten eventuell einen gewissen finanziellen Beitrag) oder die Eltern schaffen die Tablets mit Hilfe staatlicher finanzieller Unterstützung (zinsgünstige Kredite ?) für ihre Kinder an. Das es nicht unbedingt ein überteuertes iPad sein muss, reden wir hier über Beträge in der Größenordnung von € 200 – € 400 – dafür gibt es schon sehr ordentliche Tablets.
Ein paar Links zum Thema
http://www.marvell.com/company/news/pressDetail.do?releaseID=2000 plug-computer schule
http://www.heise.de/newsticker/meldung/Funkwoelkchen-fuers-Klassenzimmer-1413819.html
http://www.projektschule-goldau.ch/das-iphone-projekt
http://www.medienpaedagogik-praxis.de/apps/
ein interessanter Artikel. – Allerdings stellen sich mir ein paar Fragen.
Warum muss/sollte das Internet offen sein – wieso kann nicht eine App die Anmeldung am Schulproxy übernehmen und auch die Netzwerklaufwerke verbinden?
Muss ich als Lehrer den SchülerInnen vertrauen oder kann/darf/soll ich auch auf die Tablets Zugriff haben (entweder per „Überwachung“ oder per klassischem Handgriff)
Welche Datenschutzrechtliche Überlegungen sind für den Einsatz notwendig, wo fängt die
Privatsphäre an?
Wie stelle ich sicher, dass bei BYOD wirklich alle Apps auf den Geräten sind, wie wird das abgeglichen?
Haben Tablets wirklich Vorteile vor den Laptop, ausser, dass diese hip und cool sind?
Welche Erfahrungen (Technik, pädagogisch) gibt es bereits? Nicht kurze Statements sondern ausführliche Projektbeschreibungen/Ergebnisse (pro/contra), es gibt doch etliche „Test- & Leuchtturmschulen“.
Aktuell sehe ich den Mehrwert von Tablets nicht – es sei denn es finden sich digitale Schulbücher und ebook-Reader, die Anmerkungen und Arbeiten im/mit Text zulassen!
Der Internetzugang an Schulen muss nicht völlig offen sein – ich sprach von „offeneren“ schulische Netzen. Damit meine ich in erster Linie, dass man wohl weg muss vom „Kontrollwahn“, d.h. dem Anspruch, alles und jeden im schulischen Netz jederzeit kontrollieren zu wollen. Dass ein Mindestmaß an Kontrolle schon aus Gründen des Jugendschutzes unumgänglich ist, sei nicht verschwiegen. Übrigens gibt es schon erste Lösungen für die Integration von Tablets in bestehende schulische Netze, z.B. von den Entwicklern der paedML Linux (Baden-Württemberg) für die openml-Variante.. Ich hatte allerdings noch keine Gelegenheit, das in der Praxis zu sehen. Wenn überhaupt – schließlich bin ich schon eine ganze Weile kein Sysadmin mehr 🙂
Das mit den Netzlaufwerken ist so eine Sache: Eigentlich halte ich das Konzept für überholt und ziemlich unflexibel. Schulen sollten sich eigene Clouds aufbauen. Nicht jede Schule für sich, sondern die Kommunen oder Anbieter wie Belwue. Wenn ownCloud ein paar Versionen weiter ist, könnte es dafür in Frage kommen.
Ich war immer für pädagogische, weniger für technische Lösungen (auch wenn die bequemer sind). Also: auch mal deutlich nein sogen oder wegen mir das Ding weg nehmen … Fürs Problem des Datenschutzes (schulische Interessen / Privatsphäre) müssen noch Lösungen gefunden werden, v.a. wenn die Tablets künftig, ähnlich wie beim Blackberry 10 Betriebssystem, in einen schulischen und einen privaten Bereich aufgeteilt werden.
Für den Abgleich der Inhalte gibt es Konzepte aus dem geschäftlichen Bereich sowohl für iOS als auch für Android. Entweder durch eine Trennung wie bei Blackberry oder durch Virtualisierung.
Im Prinzip nehmen sich Laptops und Tablets nicht viel. Die einen sind schwerer und können etwas mehr, die anderen sind leichter und nicht ganz so leistungsfähig. Für die Tablets spricht die Mobilität, die Verfügbarkeit, der Preis und das gigantische Softwareangebot (mit viel Mist, aber auch vielen Perlen).
Eine Domäne der Tablets sind in der Tat E-Books, allerdings kaum die, die es bereits gibt, sondern die, die hoffentlich noch kommen (interaktiv, multimedial etc. pp.).
Danke für das Feedback.
Ich suche nach einer „sowohl – als auch“ Lösung! – Sowohl pädagogisch, als auch technisch 😉
Kurz gesagt, hier liegt eine Windows basierte Schullösung vor. Die Tablet können zwar zentral den Proxy einstellen, aber idR funktioniert dann nur der Browser, keine weiteren Apps.
Lösung wäre: einen AP am Proxy vorbei zu tunneln – Nachteil: Kein Filter, keinerlei Kontrolle (widerspricht dem Jugendschutz)
Per Dateiexplorer kann auch im Netz das Tauschlaufwerk /Eigene Dateien erreicht werden. Heute aber nicht mehr zeitgemäß. – Zur Zeit versuche ich owncloud als LDAP-mögliche Lösung auf dem Schulserver zu integrieren, dann könnten die „festen“ Netzlaufwerke zum Teil abgeschafft, dafür eine WebDav eingerichtet werden. (lästige USB-Sticks entfallen dann auch 😉 )
die ad hoc Bereitstellung der Lernumgebung erfordert dann aber auch, dass SuS über die gleiche/zumindest ähnliche Apps verfügen und diese nicht nur auf schuleigenen – sondern auf allen Geräten installiert sind. (Hier stellt sich dann wieder die Frage, wer zahlt evt. die Apps bei privaten Geräten)
Mit konsequentem Einsatz von digitalen Schulbüchern wäre eine Gegenfinanzierung möglich. Nur OER oder entsprechend vergünstigte digitale Schulbücher werden zugelassen, die gesparten Kosten in Tabs inverstiert. Damit wäre fast eine kostenneutrale Umsetzung (sowohl bei Ausleihe, als auch Anschaffung) der Schulmedien (heute noch Bücher) möglich! Eine Finanzierung somit gegeben und natürlich muss es kein iPad sein!